POP
Spiel ohne Grenzen
Santana
15
Jahre nach „Supernatural“ versucht
es der Altmeister mit einer Art Latin-Va-
riante des Megasellers. Dass die Hälfte
der
beteiligten
Künstler
hierzulande
gänzlich unbekannt ist, stört ihn wenig
- Hauptsache, die Botschaft stimmt. Und
die lautet nach wie vor Liebe, Frieden und
gute Musik. Wie einst in Woodstock .
..
STEREO:
Carlos, D u h a st schon im m e r m it
L a tin -V ib e s exp erim en tiert, ih n en aber noch
nie ein g a n ze s A lb u m g ew id m et. B is j e t z t .
..
Carlos Santana:
Es war einfach Zeit dafür.
Und es war mein Manager, der meinte: „Ich
habe eine Idee - w arum m achen wir nicht
,Supernatural‘ m it Latin-K ünstlern?“ Ich
dachte erst, ich höre nicht richtig. Aber je
m ehr ich darüber nachdachte, desto besser
fand ich den Vorschlag. Wir haben uns dann
befreundete Künstler ins Studio geholt und
Songs probiert, die so etwas wie Standards
oder Klassiker dieses Genres sind. Was ein
bisschen so war, als w ürde m an einen Film
drehen. D enn jeder Song stellt eine andere
Szene m it anderen Schauspielern dar.
STEREO:
In w elchem S tu d io w a rst D u?
Santana:
Im Palms Casino in Las Vegas, wo
es ein sehr m odernes, schickes gibt, das von
vielen Kollegen genutzt wird. Einfach, weil
es so bequem ist, von seinem Hotelzimmer
direkt zum Aufnehmen zu gehen, ohne groß
durch die Stadt gondeln zu müssen. Und
das Ganze w urde von Lenny Kravitz desig-
nt. Sprich: Es ist wirklich ein State-of-the
Art-Studio.
STEREO:
U nter den neu en Stücken befin d et
sich auch ein C over von B ob M arleys „Iron
Lion Z io n “
, zu sa m m en m it seinem ältesten Sohn
Z ig g y W ie passt das in den Latin-K ontext?
Santana:
Weil es nicht wichtig ist, ob das
Ganze in Spanisch gesungen w ird, von
einem Spanish Lover handelt oder sonst
was. D er Punkt ist: W ir spielen afrikanische
Musik. Denn letztlich kom m t alles von dort.
Und „Iron Lion Zion“ ist ein unglaublich
kraftvoller Song. Es ist wie ein Zug - wie
eine gut geölte Lokomotive. Und ich habe
keinen Zweifel: Hätte Bob M arley uns nicht
so früh verlassen, er und ich hätten garan-
tiert zusam m en M usik gemacht. Genau wie
M arvin Gaye, Jimi H endrix oder Stevie Ray
Vaughan - sie alle hätten irgendwann mit
m ir gejammt. Einfach, weil wir dieselben
Dinge lieben. Nämlich universelle Musik,
die alles beinhaltet. Die keine Grenzen und
keine Schubladen kennt.
STEREO:
U n d d ie n ic h t e in m a l vo r ein e r
D ance-V ersion von „Oye C o m o V a“ m it P it-
bull zurückschreckt?
Santana:
Richtig. Ich habe m ir Pitbull sehr
genau angeschaut, und seine M usik m acht
unzählige M enschen extrem glücklich. In
C D s
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NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
Amerika läuft sie überall. In jedem Stadion,
bei Basketballspielen, in der Halbzeitpause
von Football-Begegnungen usw. Einfach,
weil sie die Leute in Feierlaune versetzt und
auch bei der Jugend ankom mt. W enn alles
klappt, wird „Oye“ nun wieder ein Hit. Der
Song ist wie ein Fluss, der nie versiegt.
STEREO:
H a st D u keine A ngst, D eine alten
F ans d a m it zu vergraulen?
Santana:
Wenn ich nur Sachen für die alten
Fans machen würde, hätte es „Supernatural“
nie gegeben. Und ich bin ja auch kein Tier,
das in einen Käfig gesperrt wird, damit es tut,
was m an von ihm erwartet. Natürlich gibt es
Leute, die sagen: „Das Stück bedeutet m ir so
viel, weil ich dazu zum ersten Mal Sex auf
dem Rücksitz eines Autos hatte.“ D em kann
ich nur entgegnen: „Hey, das ist OK. Aber
besorg dir endlich ein neues Auto und ver-
such es noch einmal.“ Denn ich bin frei, und
ich mache Musik, m it wem ich will - egal, ob
das Wayne Shorter, Herbie Hancock, Andrea
Bocelli, Justin Timberlake oder Lady Gaga
ist. W enn sie m it m ir aufnehm en wollen, ist
das eine Ehre und ein Privileg.
STEREO:
W en n „ C o ra zo n “ d a s sp a n isch e
„ S u p ern a tu ra l“ ist: P la n st D u bereits einen
zw e ite n Teil?
Santana:
Das
hängt von den
Songs ab. Aber
ich persönlich
glaube nicht,
dass es so w eit kom m t.
Das haben wir schon einmal versucht, m it
„Shaman“, und wirklich funktioniert hat es
nicht. Weshalb es auch ein neues Album
m it der Originalbesetzung von Santana sein
wird - m it Gregg Rolie, Michael Shrieve und
Michael Carabello. Sobald ich m it „Cora-
zon“, der Tour und dem Buch durch bin,
das bald erscheint. Es heißt „The Universal
Tone“ und bringt ein bisschen Licht in meine
Geschichte.
STEREO:
E ine offizielle A utobiografie?
Santana:
Richtig. Es gibt zwar schon ein
paar Bücher über mich, aber die wurden von
Leuten geschrieben, die nicht wissen, wer ich
bin und wie ich rieche. Von daher nenne ich
sie Bussarde oder Geier (lacht).
STEREO:
Und: W ie riecht Carlos S antana?
Santana:
N ach M exiko
(lacht). N ach
W oodstock - und nach Liebe, Mann.
Interview: Marcel Anders
Santana: Corazon (Sony)
124 STEREO 6/2014
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hervorragend I ★
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seh r gut I ★
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so lid e I ★
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pro blem atisch I ★
sch lech t
FOTO: GARY MILLER